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Eine 60jährige, bislang gesunde Patientin wird mit hohem Fieber (41°C), Dyspnoe und Hämoptysen eingewiesen. Sie lebt auf dem Lande, keine Fernreisen in den letzten Monaten. Im Labor fällt eine Leukozytose mit Linksverschiebung (10.8/µl), eine leichte Thrombopenie (150/nl), ein erhöhtes C-reaktives Protein (127 mg/l) und mäßig erhöhte Leberenzyme (GOT 23 bzw. 33 GPT U/l) auf. Das Serumkreatinin ist normal (77 µmol/l), der Urinstatus zeigt eine diskrete Proteinurie (0,25 g/d) und Mikrohämaturie.

Die Thorax – Röntgenaufnahme ergibt ein interstitielles Infiltrat im rechten Unterlappen.
Unter empirischer Antibiotikatherapie mit Cefuroxim und Clarithromycin sowie Sauerstoffinsufflation kommt es zu einer rapiden Verschlechterung mit Hypotension, Lungenödem und respiratorischer Insuffizienz. Das Albumin fällt auf 25 g/l ab. Die Patientin wird intubiert und beatmet, die hämodynamische Situation durch Katecholamingabe und Volumensubstitution stabilisiert. Eine Computertomographie des Thorax zeigt bilaterale pulmonale Infiltrate wie bei einem ARDS. Echokardiographisch findet sich eine normale linksventrikuläre Funktion. Die Blutkulturen fallen negativ aus.
Während der nächsten Tage entwickelt sich eine Anurie, das Serumkreatinin steigt auf 611 µmol/l und eine kontinuierliche venovenöse Hämodiafiltration (CVVHDF) wird begonnen. Die am 9. Tag durchgeführte Nierenbiopsie zeigt einen diffusen Tubulusschaden mit fokal interstitieller Nephritis und lymphoplasmazellulärer Infiltration.

   

Diagnose und Verlauf

Die bei Vorliegen eines febrilen pulmorenalen Syndroms abgenommenen Hantavirus Antikörper (IgM, IgG) zeigten einen positiven Ausfall im ELISA. Die höchsten IgM und IgG Titer fanden sich gegen das Dobrava (DOBV) Antigen. Der Immunofluoreszenztest bestätigte die Diagnose eines Hantavirus – pulmonalen Syndroms (HPS) verursacht durch eine DOBV Infektion. Die DOBV – Antikörpertiter waren mindestens viermal höher als diejenigen gegen alle anderen getesteten Hantaviren. Die Patientin erholte sich nach mehreren Wochen Beatmungstherapie und Nierenersatztherapie komplett von ihrer Erkrankung.

Kommentar

HPS ist ein schweres pulmorenales Syndrom, das weitgehend auf den amerikanischen Kontinent und die dort endemischen Hantavirusspezies begrenzt ist. Während die in Europa vorherrschenden Virustypen meist mit einem akuten Nierenversagen und Hämorrhagie einhergehen (Nephropathia epidemica), sind Fälle von HPS hier nur vereinzelt beschrieben, aber offensichtlich ebenfalls möglich, wie das Beispiel zeigt. Der schwere und rapid progressive Verlauf des HPS mit hohem Fieber und ARDS bei ausgeprägtem kapillären Leck ist charakteristisch und für die hohe Mortalität dieser Infektion verantwortlich. Eine Exposition gegenüber den als Vektor dienenden Nagetieren (in Mitteleuropa vor allem M. apodemus) ist erforderlich, aber offensichtlich nicht immer zu eruieren. Eine spezifische antivirale Therapie steht nicht zur Verfügung, so dass nach den allgemeinen Prinzipien der Intensivtherapie vorgegangen werden und eine bakterielle Superinfektion vermieden werden muss. Differentialdiagnostisch ist an Vaskulitiden mit ähnlicher Klinik (z.B. Morbus Wegener) zu denken, die allerdings meist eine längere Vorgeschichte aufweisen, sowie an septische Erkrankungen mit sekundärem ARDS und ANV.

M. apodemus